Kathrin Deisting, Pfarrerin der ev. Kirchengemeinde in Siemensstadt

Kathrin Deisting ist auf Umwegen in die Siemensstadt gekommen. Erst studiert sie Kunstgeschichte in Kanada und Frankreich. Um noch mal neu anzusetzen, nach Berlin zu ziehen und Theologie zu studieren. Nach ihrem Vikariat arbeitet sie als Pfarrerin – und wird überraschend in die Siemensstadt entsandt. Ein Stadtteil, den sie noch nicht kennt. Und der ihr doch sofort ans Herz wächst.

Frau Deisting, obwohl sie schon länger in Berlin leben, ist die Siemensstadt ein unbekannter Stadtteil für Sie gewesen?

Kathrin Deisting:
Ich kannte die Siemensstadt tatsächlich vorher noch nicht. Das war für mich ein neues Gebiet. Ich kannte sämtliche Teile Spandaus, aber die Siemensstadt war für mich neu. Und ich finde, die Siemensstadt prägt ein ganz bestimmtes Flair und auch die Menschen, die hier wohnen, obwohl es sich natürlich ganz sicher verändert hat, über die Jahrzehnte hinweg.

Wie wirkt denn der Stadtteil auf Sie?

Kathrin Deisting:
Man merkt, dass die Siemensstadt selbst ein anderes Profil aufweist als andere Regionen in Spandau. Mein Vikariat habe ich in Spektefeld in Spandau absolviert, in der Paul-Gerhard-Kirchengemeinde – und da sieht man dann schon vom Bezirksregionsprofil, dass das ganz anders aufgebaut ist. Ein schwieriger sozialer Stadtteil, da ist einfach ganz anderer Bedarf. Und genauso gibt’s andere Gegenden in Spandau, wo es wieder hochbürgerlich ist. Und Siemensstadt liegt auf einer gewissen Weise in der Mitte und prägt einen ganz besonderen Schlag von Menschen.

Wie sind die Siemensstädterinnen und Siemensstädter?

Kathrin Deisting:
Also sie sind unterschiedlich und ganz vielfältig und das liebe ich grundsätzlich an Menschen. Es ist schön zu sehen, dass es sowohl viele alte als auch viele junge Menschen hier gibt, auf die ich treffe. Alt im Sinne von, dass ich wirklich zu Gesprächen hingehe in die Wohnung und einfach ganz viele Geschichten höre: von früher, von den Siemenswerken, wenn jemand in der Logistik gearbeitet hat oder so. Und das andere halt, dass viele junge Familien hier sind. Das merke ich besonders, wenn ich Mini-Gottesdienst mit der Kita feiere oder etwa einen Familiengottesdienst und dadurch mit den Menschen in Kontakt komme. Das ist wunderbar.

Wie ist die Nachbarschaft hier – entstehen viele Kontakte?

Kathrin Deisting:
Also wir sind eigentlich immer ein Anlaufpunkt, kann man sagen. Die Menschen kommen mit verschiedensten Fragen, und wenn es einfach mal Hilfe ist beim Einkaufen, die sie benötigen, dann kommen sie zu uns und wir vermitteln diese Hilfe. Kirche oder die Kirchengemeinden – also auch die katholische Kirchengemeinde – sind Anlaufpunkt für Menschen, die ein weiteres Zuhause zu dem eigentlichen Zuhause haben wollen. Und ich glaube, das sollte Kirche für Menschen sein: Eine Heimat, ein Zuhause, ein Ankommen an einem Ort, wo man einfach mal sich in Ruhe hinsetzen kann, eine Kerze anzündet, innehält, Kraft tankt und dann wieder weitergeht.

Und die Zukunft, die Transformation, die gerade stattfindet: Ist die ein Thema?

Kathrin Deisting:
Also die Transformation von Siemensstadt Square ist auf jeden Fall ein Thema. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger mit einfließen zu lassen in die Planung des Kiezes. Denn Leben im Gemeinwesen wird immer von Menschen gemacht, das ist einfach so, und da ist es wichtig, dass sie mitbestimmen, mit Einfluss nehmen können.

Wie sieht denn Ihre ideale Siemensstadt der Zukunft aus?

Kathrin Deisting:
Naja, ich wünsch mir auf jeden Fall genügend Grünfläche und Bäume und ich wünsch mir Spielplätze für Kinder. Weil ich glaube, wenn wir in Kinder investieren, dann investieren wir in unsere Zukunft. Und ja, wie schon gesagt, ich wünsche mir einen Ort für Spiritualität und das muss aber keine Kirche sein. Es geht mir einfach darum, dass Menschen einen Ort haben, auch in Siemensstadt Square, wo sie innehalten können, Kraft tanken können und ja, dann weiter in einen Alltag gehen. Die katholische Kirche und wir, wir wollen da sein für Menschen im Stadtteil, egal ob sie einer Religion angehören oder nicht – mit einem offenen Ohr und mit Angeboten vor Ort.