Britta Ballhause, Vertrauensperson für Menschen mit Behinderung in Siemensstadt²

Britta Ballhause, Elke Vetter, Thomas Billik und Burkhard Noack arbeiten als Vertrauenspersonen für Menschen mit Behinderung bei der Siemens AG und bei Siemens Mobility. In den nächsten Jahren werden sie den Transformationsprozess zur Siemensstadt2 begleiten. Ihr Anliegen: Die neue Siemensstadt zu einem Ort zu machen, an dem Inklusion selbstverständlich gelebt wird – mit barrierefreien Gebäuden, barrierefreier Software und behindertengerechten Arbeitsplätzen.

Frau Ballhause, Herr Noack, Herr Billik, Sie sind Vertrauensperson für Menschen mit Behinderung und selbst Betroffene. War das Ihre Motivation, sich wählen zu lassen?

Britta Ballhause:
Ja, mir ist das Schicksal ereilt, was viele Menschen mit Behinderung in Unternehmen ereilt. Viele erkranken während ihrer beruflichen Zeit. Das ist auch mir geschehen. Und plötzlich ist man nicht mehr die, die man war. Es verändert einen, wenn man eine Erkrankung hat, die einen sehr einschränkt. Und dann ist mir bewusst geworden: `Ja, Mensch, mit Behinderung und die Arbeitswelt, das ist eine komplexe Verbindung…´ Und darüber hat mich dann die Schwerbehindertenvertretung interessiert. Und ich wollte die Schwerbehindertenvertretung besser machen und habe mich aufstellen lassen und bin dann gewählt worden.

Burkhard Noack:
Ich habe meine Ausbildung hier gemacht als Fräser bei Siemens. Habe dann umgelernt auf Oberflächentechnik. Habe dann einen Unfall gehabt, bin dann schwerbehindert geworden. Und Siemens hat mir praktisch den Weg geebnet, also mir sehr geholfen. Dadurch habe ich auch umgelernt: Bin in der Qualitätskontrolle gewesen. Und da habe ich auch zum ersten Mal mit dem Betriebsrat zu tun gekriegt, auch mit der Schwerbehindertenvertretung.

Thomas Billik:
Ich bin selbst erkrankt und bin dann bei den Wahlen 2014 reingerutscht zur Schwerbehindertenvertretung. Weil ich selbst erlebt habe, wie das ist, wenn man erkrankt, hilflos ist und teilweise Unterstützung braucht, sich mit irgendwelchen Ämtern rumärgern muss wegen irgendwelcher Anerkennungen und Hilfestellung. Da habe ich halt eine Menge Fachwissen erarbeiten müssen, zwangsweise.

Frau Vetter, Sie sind nicht Betroffene, arbeiten aber als nicht freigestellt Betriebsrätin und Schwerbehindertenvertrauensfrau. Was sind Ihre Aufgaben?

Elke Vetter:
Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen im Betrieb und steht ihnen beratend und helfend zur Seite.

Thomas Billik:
Wichtig ist bei unserer Tätigkeit als Vertrauensperson, Kontakt zu halten zu den Leuten, erstmal ein offenes Ohr haben. Das kann auch mal sein, dass die abends oder auch nachts anrufen. Kollegen sind viel draußen unterwegs, die haben Schichtdienst, das heißt, ich muss auch parat sein, wenn mal ein Kollege eine Nachtschicht fährt und manchmal sprechen will. Das muss man berücksichtigen.

Ihre Aufgaben und die Prozesse sind auch schriftlich geregelt?

Britta Ballhause:
Ja, dafür hat Siemens extra eine Inklusionsvereinbarung. Dafür hat die Siemens AG 2018 sogar einen Wirtschaftspreis erhalten. Und dort ist ganz klar beschrieben, was passiert, wenn ein Mensch mit Behinderung nicht mehr so leistungsfähig ist, oder wenn es zum Beispiel Umsetzungsmaßnahmen gibt, oder was auch immer. Dort ist genau geregelt, was und wie etwas geschehen soll – wie Menschen mit Behinderung da mitgenommen werden in diesen Prozess.

Was muss denn geregelt werden für Menschen mit Behinderungen, können Sie Beispiele nennen?

Burkhard Noack:
Beispiel Arbeitsplatz: Man spricht von ergonomischen Arbeitsplätzen, also höhenverstellbare Tische, das Werkzeug muss der Behinderung angepasst werden, oder auch nur Stühle, wenn Rückenleiden vorhanden sind. Oder der Boden: Nicht einfach auf dem Betonboden stehen, dafür gibt es extra Fußmatten, dass der Rücken entlastet wird und so.

Britta Ballhause:
Wichtig ist auch die digitale Barrierefreiheit. Die ist für mich eine Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Sie gehört zum Alltag. Nicht nur in der Firma, sondern auch draußen, wie in der Kultur, jetzt zum Beispiel impfen: Die Impfsoftware war nicht barrierefrei. Und ja, digitale Barrierefreiheit ist für mich ein absolutes Plus für die Zukunft und ich hoffe schon, dass wir das bald hier umsetzen können mit Siemensstadt2.

Elke Vetter:
Also Inklusion funktioniert natürlich nicht ohne Barrierefreiheit. Und solange die Gebäude, die Büros, Aufzüge, Toiletten oder unsere U-Bahn hier nicht barrierefrei sind, dann ist die Teilhabe der Schwerbehinderten Menschen an der Arbeit schwierig. Das ist das Thema, automatische Türöffner, die Toiletten müssen barrierefrei sein, also die müssen dann entsprechende Größen haben, die Aufzüge müssen entsprechende Größen haben, Rampen müssen installiert werden, also es ist ein breites Feld.

Burkhard Noack:
Für einen Beschäftigten mit Behinderung ist das ein Riesenaufwand, so einen Arbeitsalltag zu bewältigen. Deshalb ist es auch meine Aufgabe, das Arbeitsleben zu inkludieren. Das ist wichtig, das sollten wir auch machen. Wir arbeiten daran, funktioniert nicht immer, muss ich ehrlich sagen. Ist so. Ist ein schwieriger Weg. Aber so wie ich Siemens kenne, geht das Unternehmen auf uns zu und finanzieren auch viel. Also sie nehmen eine Menge Geld in die Hand, um Arbeitsplätze zu optimieren, auch für Schwerbehinderte.

Wie sehen Sie denn die Zukunft und den Prozess, der hier gerade stattfindet – was wünschen Sie sich für Siemensstadt2?

Elke Vetter:
Also ich wünsche mir sehr, da ich ja im Dynamowerk tätig bin, dass das Dynamowerk nicht vergessen wird und dass da auch diese Umbaumaßnahmen durchgeführt werden, das ist ganz wichtig, weil da fehlt es wirklich an jeder Ecke. Wir haben im Dynamowerk jetzt keine gehörlosen oder blinden Beschäftigten, aber das ist natürlich auch ein Thema. Wenn jemand gehörlos ist, dann müsste da natürlich auch ein entsprechender Arbeitsplatz geschaffen werden. Das wichtigste ist wirklich, dass wir nicht nur über Inklusion reden, sondern Inklusion leben. Dass die alten Gebäude entsprechend umgebaut werden.

Britta Ballhause:
Inklusion sollte hier eine grundlegende Haltung werden, dass man darüber gar nicht mehr reden muss, sondern man kommt rein, und es ist automatisch da. Und es wird auch gelebt und die Vorbehalte in den Köpfen sind nicht mehr spürbar. Das wäre großartig! Mit Siemensstadt2 sollen nicht nur neue Gebäude und technischer Fortschritt kommen, sondern menschlicher Fortschritt. Wenn das gelingt, wäre das eine grandiose Neuerung!

Thomas Billik:
Mir wäre wichtig, dass Siemensstadt als Arbeitsstandort erhalten bleibt und nicht nur irgendwelche High-Tech-Buden hierkommen, sondern wir wollen auch klassische Arbeitsplätze haben für alle Personengruppen.

Burkhard Noack:
Ja also, wie gesagt, ich kann sagen, denkt daran, wir können unsere Zukunft nur gemeinsam gestalten. Das ist mein Anliegen. Also wir müssen zusammen anpacken. Und jetzt haben wir einmal die Chance hier was zu verändern. Das kann ich eigentlich nur sagen.